M. Luther - Heilung
Martin Luthers Erfahrungen mit Heilungsgebet
Christopher Noll
Martin Luthers Verständnis von Krankheit hat sich im Laufe seines Lebens verändert. Seine zunächst dogmatische Position hat sich dabei im Laufe der Jahre mit der Erfahrung von Leid zunehmend zu einer seelsorgerlich zugewandten Einstellung verändert.
Luther hat immer die Verbindung von Sünde und Krankheit betont: Der Sündenfall (1.Mose 3) ist der Grund dafür, dass es überhaupt Krankheiten und Tod in dieser Welt gibt. Eine Erkrankung ist für alle, für die Erkrankten genauso wie für die Gesunden, ein Hinweis auf diese menschliche Wesenskrankheit. Luther setzte sich 1520 in seiner Streitschrift „von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche" mit der Krankensalbung auseinander, die in der kirchlichen Praxis zur ,,Letzten Ölung" Sterbender geworden war 16.
Er streicht heraus, dass Jakobus 5,13-18 die Verheißung der Heilung Kranker in sich trägt. Dabei rechnet er fest damit, dass nicht nur zu biblischen Zeiten, sondern genauso auch jetzt das Gebet des Glaubens Heilung schenken kann. Allerdings: Luther sieht dies nur für die Ungeduldigen bestimmt, die keine Glaubenserfahrung haben. Viel höher wiegt für Luther zu diesem Zeitpunkt der geistliche Wert des durchlittenen Leides. Doch als im Jahre 1540 Philipp Melanchthon, sein enger Freund und Mitstreiter in der Reformation, in Weimar ernstlich erkrankt, betet Luther mit Inbrunst für ihn und hält Gott alle Verheißungen vor, die er den Menschen gegeben hat. Und Melanchthon wird gesund.
Fünf Jahre später wird Luther gefragt, wie einem schwerkranken Mann geholfen werden könne. Das Antwortschreiben, das Luther 1545 etwa ein Jahr vor seinem Tod verfasst, kann als das Ergebnis seines theologischen Denkens und der aus einem solchen Denken erwachsenen Praxis angesehen werden:
Dem würdigen Ern. Schulzen, Pfarrer zu Belgern, meinem günstigen, guten Freund.
Gnade und Friede im Herrn und Jesus Christus!
Ehrwürdiger Herr Pastor!
Es hat mir der Schösser zu Torgau und der Rath zu Belgern zugeschrieben und vor die Frau Hans Kornerin gebeten, ihr guten Rath und Trost zu geben, damit ihrem Manne möchte geholfen werden. Nun weiss ich wahrlich keinen weltlichen Trost, und wo die Ärzte nicht Hülffe wissen, so ist es gewiss nicht eine schlechte [d.h. gewöhnliche] Melancholie, sondern vielmehr ein versuchlicher Angriff des Teufels, dem man durch Gebete des Glaubens in der Kraft Christi begegnen muss. So machen wir es und pflegen es so zu machen. Es war nämlich hier ein Schmuckkästchenmacher so (wie Herr Korner) vom Wahn ergriffen. Den haben wir durch das Gebet in Christus geheilt. Darum mach es bitte folgendermaßen: Gehe hin zu ihm mit dem Hilfsprediger und zwei oder drei guten Männern - du in der gewissen Zuversicht als Inhaber des öffentlichen geistlichen Amtes und als Ortspastor -, lege ihm die Hände auf und sprich: ,,Friede sei mit dir, lieber Bruder, von Gott, unserem Vater, und vom Herrn Jesus Christus!" Danach bete mit vernehmlicher Stimme über ihm das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Zum Abschluss sage dann: ,,Gott, allmächtiger Vater, der du zu uns gesagt hast durch deinen Sohn:, Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr den Vater um etwas in meinem Namen bittet, so gibt er es euch'- und ein ander mal durch ihn uns geheissen und genötigt hast zu beten: ,Betet und empfanget', ebenso Psalm 50,15: ,Rufe mich an am Tage der Trübsal, und ich reiße dich heraus, und du verherrlichst mich' -, darum beten wir unwürdigen Sünder auf das Wort und den Befehl deines Sohnes zu deiner Barmherzigkeit mit aller Kraft unseres Glaubens: würdige diesen Menschen, dass du ihn von allem Übel befreist und das Werk Satans in ihm zerstörst zur Ehre deines Namens und zum Wachstum des Glaubens und der Heiligen durch denselben unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen."
Dann gehe weg, lege ihm die Hände auf und sage noch einmal: ,,Die Zeichen, die denen, die da glauben, folgen, sind diese: auf die Kranken legen sie die Hände, und es geht ihnen gut." Dieses wiederhole bis zu dreimal täglich. Außerdem bete im Gemeindegottesdienst von der Kanzel, bis Gott erhört. Wir vereinigen uns ganz und gar in Fürbitte und Gebet mit aller unserer Glaubenskraft unaufhörlich in Gott. Lebwohl! Einen anderen Rat habe ich nicht, der ich bin - usw. 1545 17
16 Trotzdem wurde dieser Missstand in der Römisch-katholischen Kirche erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1968) lehramtlich beseitigt.
17 Der ursprünglich in Latein verfasste Brief Martin Luthers findet sich in WA Briefwechsel, Bd.11, Nr. 4120, Seite 111f. - Die Übersetzung ist entnommen aus Heinz Doebert, Das Charisma der Krankenheilung (1959), S.88f. [zitiert nach: Wolfgang J. Bittner: Heilung - Zeichen der Herrschaft Gottes (1984), 551]